Phosphor

zurück Phosphor 11. September bis 24. Oktober 2015 Christine Reifenberger
Phosphor

„Ich bin Farbmalerin. – Im Malprozess geht es mir um Farb- und Materialspielarten.“ – das sagt Christine Reifenberger über sich und ihre Arbeit.

Das Œuvre der Künstlerin Christine Reifenberger entfaltet seinen Reiz im Spannungsfeld zweier formal unterschiedlicher Werkgruppen – den eindimensionalen Bildern und den zweidimensionalen Objekten. Beide Werkgruppen, die zweidimensionalen Bilder und die dreidimensionalen Objekte, entwickeln sich aus demselben Ursprung – der sich auf Papier und Leinwand bewegenden Farbe. Je mehr Farbe sich auf dem Trägermaterial bewegt, verläuft, sich mit anderen Farben mischt oder von ihnen absondert, umso mehr wird auch der Bildträger bewegt. So kann die Leinwand zuweilen „auf den Kopf gestellt“ werden, es kann ihre Vorderseite zur Rückseite werden und umgekehrt. Es kann die Papieroberfläche unter dem Druck der Farbe aufbrechen und mit noch mehr Farbe wieder geschlossen werden. All das sind Experimente, die Christine Reifenberger im Atelier durchspielt – Möglichkeiten, die sie auslotet. Es ist ein Bildwerdungsprozess bei dem die Künstlerin sich zurückzunehmen weiß, um der Farbe ihren Lauf zu lassen. Bis schließlich, beim Umgang mit manchen Papieren, ein Moment aufscheint und die Künstlerin dazu veranlasst, mit großen Handschuhen in den Prozess einzugreifen und das Material schließlich plastisch zu formen. Christine Reifenberger öffnet, geleitet vom malerischen Prozess, die Fläche des Papieres, geht damit hinaus in den Raum und weicht zurück in die Tiefe. So entwickeln sich, sowohl in der Fläche als auch im Raum, die prächtigsten Farbkunstwerke.

Christine Reifenberger lebt und arbeitet in Köln und in Andernach, nahe Koblenz. Im Rheinland hat sie auch den Großteil ihres Kunststudiums absolviert, nämlich an der Akademie in Düsseldorf bei Prof. Gotthard Graubner. Geboren und aufgewachsen aber ist sie im Fichtelgebirge, und bis heute ist sie eng verbunden mit ihrer fränkischen Heimat.

Diese biografischen Stationen sind Teil des überaus vielschichtigen Hintergrundgebildes, auf dem die Arbeiten von Christine Reifenberger entstehen. Denn auch wenn es immer der malerische Prozess ist, der für die Künstlerin im Vordergrund steht, so fußt die Gestaltwerdung, das Wachsen der Form aus der Farbe, immer auf einem vielschichtigem Gebilde aus unterschiedlichen, impulsgebenden Einflüssen: Einflüssen aus der Kunstgeschichte etwa.

Die Scherenschnitte des Romantikers Philipp Otto Runge interessieren die Malerin. Denn die Pflanzenschnitte sind von so konzentrierter Schönheit, dass sie - ganz im Sinne von Platos „Idee“ - auf das jeweilige Urbild der Gewächse zu verweisen scheinen. Die phantastischen und grotesken Landschaften des niederländischen Renaissancekünstlers Hercules Seghers, mit Formen, die sich in irrationalen Räumlichkeiten verzweigen, interessieren die Malerin.

Aber natürlich wird Christine Reifenberger auch von Künstlern des 20. Jahrhunderts inspiriert. Sie war Schülerin von Gotthard Graubner, dem Pionier der abstrakten Farbmalerei in Deutschland. Sie alle kennen seine gewölbten Bilder – die von ihm so genannten „Farbraumkörper“. Christine Reifenberger öffnet mit ihren Objekten gleichsam die gewölbte Fläche des Lehrers, geht darüber hinaus – geht noch weiter in den Raum, noch mehr zurück in die Tiefe.

Doch mag der kunsthistorische Fundus, aus dem die Künstlerin schöpfen kann, auch noch so umfassend sein, so ist ihr – vielleicht allen Inspirationsquellen voran – die Natur doch immer das Nächste. Seit den ersten künstlerischen Schritten an den Orten der Kindheitslandschaft, ist die Natur Ausgangspunkt für ihre ganz eigenen Bildwelten. Die Natur ist der Impuls, der Christine Reifenberger antreibt. Natur ist etwas, das sie zutiefst berührt und wohin sie mit ihrer Malerei immer wieder zurückkehrt. Das geschieht unwillkürlich, und zuweilen möchte sie die Natur gerne abstreifen. Wir aber hoffen, dass in diesen bizarr nach außen gestülpten Innenwelten noch lange der Anhauch von Natur zu spüren sein wird.